OLG Düsseldorf: Busfahrer nutzt Handy - "Lebenslanges Fahrverbot" auf allen Linien der A-Verkehrsgesellschaft mbH ist unverhältnismäßig
Der 6. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat am 21. August 2023 – VI-6 U 1/23 (Kart) – entschieden, dass die von der beklagten A-Verkehrsgesellschaft mbH gegen einen klagenden Busfahrer verhängte lebenslange Fahrersperre wegen Handynutzung marktmissbräuchlich und deshalb unzulässig ist. Die beklagte A-Verkehrsgesellschaft wurde verurteilt, gegenüber der B GmbH mitzuteilen, dass die unter dem 7. Juli 2021 ausgesprochene Sperre für den Einsatz auf den Linien der A-Verkehrsgesellschaft mbH aufgehoben ist.
Der klagende Busfahrer war bei einem privaten Busunternehmen angestellt. Das Busunternehmen war als Subunternehmerin für die B GmbH tätig, die ihrerseits von der A-Verkehrsgesellschaft mbH, der Beklagten, beauftragt worden war. Der Kläger hatte am 22. Juni 2021 die Linie X im A-Netz befahren. Nachdem ein Fahrgast den Kläger bei der Handynutzung gefilmt und die Beklagte informiert hatte, sperrte diese den Kläger für die Zukunft auf allen ihren Linien. Das als Subunternehmerin tätige Busunternehmen kündigte aufgrund der Sperre dem Kläger fristlos.
Gegen die lebenslange Sperre erhob der Busfahrer Klage vor dem Landgericht Köln. Er meint, die Beklagte missbrauche durch die zeitlich unbefristete Sperre ihre Marktmacht. Er finde in erreichbarer Entfernung von seinem Wohnort keine Anstellung mehr als Busfahrer im Liniennahverkehr. Die Beklagte betreibe als marktbeherrschendes Unternehmen im A-Kreis weitgehend das gesamte Nahverkehrs-Busnetz, teilweise auch darüber hinaus. Die ausgesprochene Sperre sei auch unverhältnismäßig. Bei einer verbotenen, selbst gefährdenden Handynutzung sehe die Straßenverkehrsordnung allenfalls ein Fahrverbot von drei Monaten vor. Die beklagte A-Verkehrsgesellschaft mbH hatte auf die Gefährlichkeit der Handynutzung im Straßenverkehr verwiesen und die unbefristete Sperre für sachgerecht gehalten. Sie habe keine marktbeherrschende Stellung. Vielmehr könne der Busfahrer bundesweit tätig sein und auch im Busfernverkehr, Fernreise-, Tourismus- oder Schülerverkehr fahren.
Das Landgericht Köln hatte der Klage am 27. Oktober 2022 – 33 O 209/22 – teilweise stattgegeben und eine fünfjährige Sperre für ausreichend gehalten.
Auf die hiergegen eingelegten Berufungen beider Parteien hat der 6. Kartellsenat unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Prof. Dr. Ulrich Egger das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, gegenüber der B-GmbH mitzuteilen, dass die unter dem 07.07.2021 ausgesprochene Sperre für den Einsatz auf Linien der Beklagten aufgehoben ist.
Die lebenslange Sperre sei – so der Senat – ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die Beklagte habe in dem räumlich und sachlich relevanten Markt für Busfahrer im Öffentlichen Personen- und Nahverkehr im A-Kreis eine marktbeherrschende Stellung. Sowohl die lebenslange Sperrung des Klägers auf den Linien der Beklagten als auch die vom Landgericht als angemessen angesehene Dauer der Sperrung von fünf Jahren behinderten den Kläger auf diesem Markt unbillig.
Das Verhalten des Klägers sei nicht so schwerwiegend, dass eine lebenslange oder eine Sperre von fünf Jahren gerechtfertigt seien. Auch wenn die Benutzung des Handys während der Fahrt ein erheblicher Verkehrs- und Pflichtenverstoß gewesen sei, seien eine fünfjährige Sperre und erst recht eine lebenslange Sperre nicht angemessen und daher unverhältnismäßig. So habe der Kläger seinen Arbeitsplatz aufgrund der unbefristeten Sperre verloren. Ferner sei es ihm bis heute unmöglich, im Öffentlichen Personen- und Nahverkehr im Rhein-Erft-Kreis einen neuen Arbeitsplatz zu finden, weil er die Linien der Beklagten nicht befahren dürfe. Auch führe eine verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung selbst in besonders schwerwiegenden Fällen nur zu einem mehrmonatigen, nicht aber zu einem lebenslangen oder mehrjährigen Fahrverbot. Nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen wäre voraussichtlich nur eine Abmahnung in Betracht gekommen.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf Nr. 28/2023 vom 21. August 2023