BGH entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google
Die Kläger verlangten von Google, bestimmte Artikel nicht mehr in der Trefferliste anzuzeigen und die Verwendung von Fotos dieser Artikel als Vorschaubilder zu unterlassen („Recht auf Vergessenwerden“). Der BGH hat entschieden, dass derjenige, der angebliche Falschinformationen über sich selbst aus den Trefferlisten der Suchmaschinen entfernen lassen will, nachweisen muss, dass die Behauptungen hinter dem Link offensichtlich unrichtig sind. Bloße Zweifel reichen nicht aus.
Sachverhalt:
Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin war seine Lebensgefährtin und Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, „durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen“, erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine „Google“, es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder („thumbnails“) anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15 – die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg (OLG Köln, Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17). Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2020 zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Urteil vom 8. Dezember 2022 – C-460/20 – beantwortet. Die Auslistung hänge nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat daraufhin die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Die Revision war teilweise erfolgreich.
Bezüglich der beanstandeten Verweise auf die genannten Artikel hat der Bundesgerichtshof die klagabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen in seinem Urteil vom 23. Mai 2023 – VI ZR 476/18 – bestätigt. Bei einem Artikel fehlte es bereits an dem notwendigen Bezug zu der Person des Klägers. Hinsichtlich der beiden anderen Artikel haben es die Kläger versäumt, gegenüber der Beklagten den ihnen obliegenden Nachweis zu führen, dass die dort enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind.
Bezüglich der Vorschaubilder hatte die Revision der Kläger hingegen Erfolg und der Bundesgerichtshof hat die Beklagte zur Auslistung der Vorschaubilder in der beanstandeten Form verpflichtet. Eine Anzeige der für sich genommen nicht aussagekräftigen Fotos der Kläger als Vorschaubilder ohne jeden Kontext war nicht gerechtfertigt.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 084/2023 vom 23. Mai 2023