BVerwG: Keine unmenschliche oder erniedrigende Aufnahmesituation für (nichtvulnerable) anerkannte Flüchtlinge in Italien
Alleinstehenden, erwerbsfähigen und nichtvulnerablen international Schutzberechtigten drohen aktuell bei einer Rückkehr nach Italien keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen, die eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 der EU-Grundrechtecharta zur Folge haben. Asylanträge dieses Personenkreises in Deutschland können daher nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Einklang mit dem Unionsrecht als unzulässig abgelehnt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 21. November 2024 entschieden und damit die obergerichtlich umstrittene abschiebungsrelevante Lage im Zielstaat Italien grundsätzlich geklärt.
Die Klägerinnen, eine somalische und eine syrische Staatsangehörige, wurden in Italien als Flüchtlinge anerkannt. Sie verließen Italien und reisten in das Bundesgebiet ein. Ihre Asylanträge wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig abgelehnt und ihnen wurde die Abschiebung nach Italien angedroht. Die hiergegen erhobenen Klagen blieben in den Vorinstanzen erfolglos. Das OVG Rheinland-Pfalz hat die Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen, da ihnen als nichtvulnerable, alleinstehende und erwerbsfähige international Schutzberechtigte unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung geforderten besonders hohen Schwelle der Erheblichkeit bei einer Rückkehr nach Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta drohe.
Die vom OVG Rheinland-Pfalz als sogenannte Tatsachenrevisionen nach § 78 Abs. 8 AsylG wegen einer Abweichung von der Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Italien durch das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen zugelassenen Revisionen der Klägerinnen hatten keinen Erfolg. Die allgemeine Lagebeurteilung durch das OVG Rheinland-Pfalz erweist sich auf der für das Bundesverwaltungsgericht maßgeblichen Grundlage der aktuellen Erkenntnislage als zutreffend. Danach ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass nach Italien zurückkehrende Schutzberechtigte der genannten Gruppe dort in eine extreme materielle Notlage geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen. Sie können voraussichtlich zumindest in temporären Unterkünften oder Notschlafstellen mit grundlegenden sanitären Einrichtungen, die von kommunalen Stellen sowie kirchlichen und anderen nichtstaatlichen Hilfsorganisationen angeboten werden, unterkommen und ihre weiteren Grundbedürfnisse einschließlich des Verpflegungsbedarfs durch eigenes Erwerbseinkommen decken, zu dem gegebenenfalls Unterstützungsleistungen der genannten Stellen hinzutreten. Diese Einschätzung trifft auch auf weibliche Schutzberechtigte zu. Eine medizinische Grundversorgung ist ebenfalls gewährleistet.
Mit den Entscheidungen vom 21. November (BVerwG 1 C 23.23 und BVerwG 1 C 24.23) bot sich dem Bundesverwaltungsgericht erstmals die Gelegenheit, voneinander abweichende tatsächliche Bewertungen der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe hinsichtlich der abschiebungsrelevanten Lage in einem Zielstaat nach dem seit 1. Januar 2023 bestehenden Verfahren der Tatsachenrevision zu vereinheitlichen.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgericht Nr. 57/2024 vom 21. November 2024